„Das ist eine der ungewöhnlichsten Ausstellung im Rahmen der Kulturhauptstadt"
Die Ausstellung „Visionen von Schrecken und Hoffnung“ ist mehr als ein Kunstsensation im Heimatmuseum
Die Ausstellung folgt einem konsequent pazifistischen Konzept: Sie zeigt die Auseinandersetzung von Kunst mit den Auswirkungen von Krieg und Terror auf die Zivilbevölkerung. Goya, der als Augenzeuge die „Schrecken des Krieges“ in Druckplatten ritzte, bleibt nicht allein, ist künstlerischer wie politischer Eckpfeiler für nachfolgende Generationen. „Goya“ in Dinslaken wird zum europäischen Projekt gegen das Vergessen zum zeitlosen Aufschrei gegen Unterdrückung und Krieg. Eine aktuelle Mahnung an uns alle, kein Kunst-“Genuss“ sondern eine verstörende, zwingende Kunst-Erfahrung. Ein schwerer Brocken und großer Wurf, den Dinslaken mit seinen Partnern zum Kulturhauptstadtjahr beisteuert.
Bettina Schack, NRZ, 18. Juni 2010
Warten auf Francisco de Goya in Dinslaken
Jürgen Kaumkötter steht mitten in einem Raum im Erdgeschoss und verbreitet weniger Schrecken als Hoffnung. „Mut zum großen Wurf“ hatte Bürgermeister Michael Heidinger den Verantwortlichen kurz zuvor beim Pressegespräch bescheinigt, und Kurator Kaumkötter will diesen Mut nun sichtbar machen. Ein paar Bilder hängen bereits an ihren Plätzen, andere lehnen noch an den kahlen Wänden und die wichtigsten Exponate sind noch gar nicht angekommen. Drei Gemälde Goyas werden erst am Donnerstag aus dem Musée des Beaux Arts in Dinslakens Partnerstadt Agen angeliefert, anschließend kommen sie für 24 Stunden in die Kühlkammer und werden dann auf rotem Samt ausgestellt. Dazu kommen insgesamt 60 Grafiken Goyas und anderer Künstler von Otto Pankok bis Jacques Callot, von George Grosz bis Käthe Kollwitz und Kollegen, die sich allesamt mit einem Thema beschäftigen: Krieg und Gewalt gegen die Menschheit. Sei es in dem Raum, der den Ruhrkampf thematisiert, die Weltkriege und ihre Verarbeitung in der Kunst. Ein anderer Raum ist Otto Pankok gewidmet, dessen Kohlezeichnungen eindrucksvoll nicht nur das Schicksal der Sinti darstellen. Pankoks Tochter Eva, Hausherrin im Drevenacker Museum, hat zugesagt, zur Ausstellungseröffnung am Samstag zu kommen: „Sie sagte: ,Für den Pazifismus immer!’“, schmunzelt Jürgen Kaumkötter. Es gehört zur Kunst der Ausstellungsmacher, die Dauerausstellung zur Stadtgeschichte in den Kontext einzubauen: „Auch die Zerstörung Dinslakens und die Darstellung der Stadt im Krieg sind ein Stück Vergangenheit, das in die Ausstellung gehört“, findet der Kurator. Neben den schon nachdenklich stimmenden Bildern scheuen sich die Verantwortlichen nicht, verstörende Elemente und Visionen zu zeigen. Wer den Treppenaufgang in die erste Etage benutzt, blickt auf eine Videoinstallation der in Jerusalem geborenen Sigalit Landau: „Barbed Hula“ zeigt nichts als den Rumpf einer nackten Frau am Meer, die einen Hula-Hoop-Reifen aus Stracheldraht um die Hüften schwingt. Der Bauch ist vernarbt, der Stacheldraht weckt Assoziationen an Krieg und Internierung, politische Gewalt. „Goya war ein politischer Künstler, und andere Künstler haben sich mit ihrer Kunst an Goya orientiert“, erklärt Kaumkötter.